Haushaltsrede zum Haushalt 2023

von Dr. Volker Brand, Vorsitzender der Fraktion Die GRÜNEN im Rat der Stadt Bad Oeynhausen
(Ratssitzung am 21.12.2022)

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,

manchmal geschehen innerhalb eines Jahres Dinge, die uns ratlos, ohnmächtig und zweifelnd zurücklassen. Ich glaube, wir stehen an einem epochalen Wendepunkt. Diese Vielfalt von Krisen und Kriegsereignissen, Drohpotenzialen und Belastungen scheint uns alle schlichtweg zu überrennen und zu überfordern. Da gibt es bei vielen von uns eine tiefe Sehnsucht nach innerem Rückzug, nach innerer Flucht. Und doch sollten wir lernen, zu unterscheiden: Was können wir ändern und wo können wir noch Einfluss nehmen?

Dr. Volker Brand
Kürzlich gab es in der Wandelhalle einen beeindruckenden Vortrag von Stefan Rahmstorf, Professor am Potsdamer Institut für Klimafolgenanpassung. In einem Grußwort wies unser Bürgermeister darauf hin, was in dieser Stadt alles getan wird unter dem Topos Klimaschutz. Alles richtig – und doch halte ich die Perspektive für grundfalsch, eine positive Leistungsbilanz der Stadt zu akzentuieren. Das führt zu einer nachlassenden Motivation und zur Selbstgerechtigkeit. Die Wahrheit ist, es bedarf einer gewaltigen Kraftanstrengung der öffentlichen Hände von weltweit bis hin nach Bad Oeynhausen, um das Allerschlimmste noch abzuwenden. Selbstzufriedenheit ist hier die Todsünde. Sie führt zu Lethargie. Der Worte sind genug gewechselt, jetzt zählt das Handeln.

Es ist die zentrale Daseinsaufgabe der Menschheit. Wir haben keine Zeit mehr, mit ignoranten Klimawandelleugnern über Dinge zu diskutieren, die von der Forschung ernsthaft gar nicht in Frage gestellt werden: Stefan Rahmstorf im November: „Der Klimawandel ist zu 100% von Menschen gemacht.“ Und ich darf aus dem Spiegel (H. 45/2022, S.10ff) zitieren: „Die Reaktionen deutscher Kommunen auf solche Trends sind unterschiedlich. Manche mühen sich nach Kräften, manche scheitern schon an den Anträgen auf Förderung durch die EU, und andernorts hat es der Begriff Klimaanpassung nicht mal auf die Todo – Liste für 2023 geschafft. Dabei steht die Notwendigkeit, Vorsorge zu treffen, außer Frage. Die Wissenschaft hat alle Daten parat. Es gibt keine Erkenntnislücke, es gibt ein Umsetzungsproblem. Und die Zeit wird knapp.(…)

Es gibt Fälle, da schmücken sich Bürgermeister mit einer Klimaanpassungsmanagerin, die sie ja zwei Jahre lang fast nichts kostet, lassen sie aber beim Umsetzen von Ideen gegen Wände rennen.“

Rahmstorf hat eindrucksvoll dargelegt, dass viele Politiker es einfach nicht begreifen wollen, dass es ein kapitaler Fehler ist, wenn man heute nicht handelt. Dann käme die Menschheit halt mit Verspätung ans Ziel.

Nein, sie kommt dann gar nicht mehr ans Ziel. Das ist der dramatischen Dynamik der sogenannten Kipppunkte geschuldet. Damit ist gemeint: es gibt Entwicklungen, die sind nicht mehr umkehrbar.

Wir hier in der Stadt sind herausgefordert, unsere Verantwortung für das Ganze zu übernehmen und einzulösen. Die Lösung der epochalen Klimakrise liegt nicht irgendwo weit weg von Bad Oeynhausen. Sie liegt in jedem von uns.

Entsprechend haben wir zu handeln. Unsere Stadtgemeinschaft hat die Erkenntnis abzubilden, dass wir bereit sind, trotz enormer Belastungen um uns herum, trotz Krieg in der Ukraine, Pandemie, persönlicher Krisen Verantwortung für die Welt von morgen, für die Welt unserer Kinder zu übernehmen. Wir haben dafür zu sorgen, den Klimawandel jetzt auf das Mindestmaß zu begrenzen, das jetzt noch möglich ist:

durch einen proaktiven Kraftakt, der uns viel abverlangen wird, der uns viel kosten wird. Die Zeit dafür ist mehr als knapp.

Ich freue mich, dass sich die Einsicht dafür inzwischen weit über die Wählerschaft der Grünen verbreitet und weiter wächst. Das ist ungemein wichtig.

Wichtig ist uns aber auch, über das, was die Verwaltung in Sachen Klimaschutz und Klimaanpassung in den Haushalt 2023 geschrieben hat, in der gemeinsamen Veränderungsliste von schwarz – Grün hinauszugehen. Wenngleich die Zeit der fetten Haushaltsüberschüsse vorbei sind und auch wir zur Kenntnis nehmen, dass Sparsamkeit immer eine Tugend bleiben und in Zukunft sogar noch an Einfluss gewinnen wird, so haben wir in der Veränderungsliste von Grünen und CDU eine Reihe von wichtigen Ergänzungen vorgenommen:

  • Wir wollen in den nächsten Jahren und so schnell es die Verwaltung umsetzen kann, Photovoltaikanlagen auf allen öffentlichen Gebäuden installieren. Deshalb haben wir ein ambitioniertes Programm aufgelegt, um über den weiter bestehenden Pro Klima Etat hinaus und über die 150 TEURO (inklusive Klimacent), die der Entwurf der Verwaltung vorsah, weitere 150 TEURO pro Jahr bereitzustellen.
  • Die strategische Ausgestaltung der Wärmeversorgung ist eine kommunale Pflichtaufgabe. Hier soll ab 2023 mit einer 90%igen Förderung ein Haushaltstitel im Rathaus 2 im Benehmen mit der NEO geschaffen werden.
  • Klimafolgenanpassung ist ein Bereich, der auch für Bad Oeynhausen immer bedeutender wird. Es ist schnellstmöglich in einer Studie zu eruieren, wo zusätzliches Grün in die Innenstadt gepflanzt werden kann, um gegen Hitzeperioden besser gewappnet zu sein. Es ist zu klären, wo kann entsiegelt und wo können  Schwammstadt – Projekte verwirklicht werden. Die Bürger*innen erwarten zurecht, dass ihre Stadt alles unternimmt, um auch in heißen Dürrephasen, gut durch den Sommer zu kommen. Auch wenn in diesem Haushalt keine zusätzlichen Gelder bereitgestellt werden müssen, so ist mit diesen Maßnahmen unverzüglich zu beginnen. In 2024 sind hierfür verstärkt Gelder in den Haushalt einzustellen.
  • Darüber hinaus, ist es uns wichtig, dass die Stadtverwaltung ihre Priorisierung beim Haus der Jugend ändert und bereits 2023 mit dem Bau beginnt. Die Jugendlichen haben lange genug auf ihr neues Jugendzentrum gewartet.
  • Die beiden Ingenieursstellen im Rathaus 2 – u. a. eine Stelle bei der Bauordnung – hält auch meine Fraktion für absolut notwendig.
  • Gleiches gilt für die Umsetzung des CDU – Antrags zur Dehmer Kita. Es muss wieder gelten: Verabschiedete Fraktionsanträge sind schnellstmöglich umzusetzen.

Nun, die  mittelfristige Finanzplanung setzt uns allen Grenzen. Besonders die anschwellende Verschuldung der Stadt sehen wir sehr kritisch. Hier werden Erfolge der Vergangenheit bei der Haushaltskonsolidierung zum Teil wieder kassiert. Wenn auch dadurch die Vermögenswerte der Stadt durch üppige Investitionstätigkeiten steigen, so sind Augenmaß und Konsolidierungswille erforderlich, um die Handlungsfähigkeit von Bad Oeynhausen in den nächsten Jahren aufrechtzuerhalten.

Wir durchleben gegenwärtig eine Zeit, die auch die Gestaltung unserer Stadtgemeinschaft alles andere als einfach macht. Insbesondere die Energieversorgung stellt uns alle vor große Herausforderungen. Deshalb gilt unser Engagement auch der Prüfung, ob wir durch Geothermie einen signifikanten Beitrag zur Lösung unseres Energieproblems leisten können. Wir sind in der Pflicht, zu modernisieren, einzusparen und zu dekarbonisieren. Es liegt auf der Hand, dass auch unsere Heimstätte als Tochter der Stadt mit ihrem recht alten Hausbestand von dieser Entwicklung im besonderen getroffen wird.

Hier wird die Stadt mit vielen Millionen Euro Kapitalzufluss einspringen und bis an die Grenze ihrer finanziellen Belastbarkeit aktiv werden, um größeren Schaden zu verhindern.

Aber in diesem Zusammenhang dürfen wir nicht die große Chance übersehen, auf der Grundlage dieser Investitionen dem Ziel der Klimaneutralität einen ganz entscheidenden Schritt näher zu kommen.

An dieser Stelle sei mir auch noch eine Bemerkung zu der aktuellen Entwicklung zum Glasfasernetzausbau gestattet.

So richtig vielleicht Kritik und Vorbehalte gegen das Joint Venture von Stadtwerken und Greenfiber auch sein mögen, so wichtig natürlich auch die Frage sein mag, ob es nicht einer Kontrolle der SBO zu den potenziell 32% abschlusswilligen Kund*innen bedurft hätte, so klar war meine Position hierzu von Anfang an: In dem Moment, wo die Entscheidung gefallen war, dass Stadt bzw. Stadtwerke mit der Firma Greenfiber den Ausbau des Glasfasernetzes in Bad Oeynhausen zusammen angehen werden, von dem Augenblick bedeutet jegliche Fundamentalkritik und jegliche Opposition gegen dieses Unterfangen – auch jetzt von der BBO, dass die Kritik selbst dieses Projekt massiv gefährden und sogar zum Scheitern bringen kann. Mit anderen Worten: Widerstand jetzt kann einen erheblichen Schaden für die Stadt verursachen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, schwierige Zeiten bewirken immer Unzufriedenheit, Protest und natürlich auch berechtigte Kritik. Aber wir dürfen nicht zulassen, dass aus dieser Unzufriedenheit der Nährboden für diejenigen wird, die die Errungenschaften unseres demokratischen Miteinanders mit Füßen treten.

In diesem Zusammenhang möchte ich mich bei allen bedanken, die zu Beginn des Jahres eindrucksvoll auf die Straße gegangen sind und ein Zeichen gesetzt haben. Sie haben zum Ausdruck gebracht, dass die große Mehrheit auch in Bad Oeynhausen sehr wohl weiß, was wir unserer pluralistischen und demokratischen Gesellschaft zu verdanken haben.

Toleranz, Meinungsvielfalt und Austausch dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich unsere Demokratie ihrer Werte auch erwehren muss und wird.

Obgleich Politik immer auf Verständigung und Ausgleich anzulegen ist, darf und soll innerhalb der demokratischen Mitte in der Sache gestritten werden, aber die Bereitschaft nach Kompromisslinien zu suchen, halte ich für mega wichtig.

So werden wir den Haushalt 2023 verabschieden, der Maß und Mitte vereint. Ohne den Wiedereinstieg in eine Haushaltssicherung, ohne Steuererhöhungen, mit absolut notwendigen Investitionen in den Klimaschutz und der festen Absicht, hier nicht zu verharren, sondern in den nächsten Jahren weitere gesteigerte Anstrengungen in  Klimaschutz und in Klimafolgenanpassung zu unternehmen. Hier wird sich zeigen, ob wir unserer Daseinsschuld für zukünftige Generationen gerecht werden können. Einige Jugendliche bezeichnen sich heute resignierend als last generation. Sorgen wir dafür, dass es nicht eine lost Generation sein wird. Dann hätten wir alle verloren.

Für Ihre Aufmerksamkeit habe ich zu danken.

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